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Paket zur raumplanungsrechtlichen Bereinigung der Kleinsiedlungen verabschiedet

Der Regierungsrat des Kantons Thurgau hat die Richtplanänderung «Kleinsiedlungen» erlassen und dem Grossen Rat mit einer Botschaft zur Genehmigung überwiesen. Mit der Änderung erfüllt der Kanton den Bundesauftrag, die raumplanungsrechtlichen Situation in rund 300 Kleinsiedlungen zu bereinigen. Zur Änderung gehört eine Anpassung der Verordnung des Regierungsrates zum Planungs- und Baugesetz, diese liegt im Entwurf vor. Zur Abfederung möglicher finanzieller Härtefälle legt der Regierungsrat dem Grossen Rat mit separater Botschaft ein neues Gesetz vor.

Historisch bedingt bestehen im Kanton Thurgau rund 300 Kleinsiedlungen. Sie sind über das gesamte Kantonsgebiet verteilt und gehören zum Thurgauer Erscheinungsbild. Nach den rechtskräftigen Zonenplänen und Baureglementen der Gemeinden sind sie oftmals einer Bauzone (Weiler- oder Dorfzone) zugewiesen. Aus Sicht des Bundes ist dies teilweise bundesrechtswidrig. 2010 und 2018 erhielt der Kanton Thurgau deshalb den Auftrag, die Kleinsiedlungen zu überprüfen und einer sachgerechten Zone zuzuweisen. In der Folge lancierte der Regierungsrat das Projekt «Überprüfung Kleinsiedlungen im Kanton Thurgau», an dem mehrere Gemeindevertreter beteiligt waren. 

Die Überprüfung der Zonenzuweisungen hat ergeben, dass etwas mehr als die Hälfte der heute in Weiler- oder Dorfzonen gelegenen Kleinsiedlungen inskünftig einer Nichtbauzone zugewiesen werden muss. Dafür kommen Landwirtschaftszonen, Landschaftsschutzzonen oder Erhaltungszonen in Frage. In der Erhaltungszone sind weitergehende bauliche Massnahmen möglich als in der Landwirtschaftszone oder Landschaftsschutzzone. So können beispielsweise An- und Kleinbauten sowie Ersatzbauten erstellt werden. Auch der Umbau oder die Umnutzung von ehemaligen Scheunen sind weiterhin zulässig. Neubauten sind jedoch nur noch möglich, wenn sie landwirtschaftlich begründet oder standortgebunden sind. Kleinsiedlungen, die einer solchen Erhaltungszone zugewiesen werden sollen, müssen zwingend im kantonalen Richtplan (KRP) aufgelistet sein.

Paket mit drei Teilen

In einem breit abgestützten Prozess wurden deshalb Entwürfe für eine Richtplanänderung sowie ein Entwurf für die zugehörige Anpassung der Verordnung des Regierungsrates zum Planungs- und Baugesetz und zur Interkantonalen Vereinbarung über die Harmonisierung der Baubegriffe (PBV) erarbeitet und von April bis Juni 2021 einer Vernehmlassung unterzogen. Als flankierende Massnahme wurde zudem der Entwurf für ein Gesetz über Vereinbarungen zur Milderung persönlicher Folgen von raumplanerischen Massnahmen in Kleinsiedlungen vorgelegt (GVKS). Die drei Instrumente bilden ein Gesamtpaket zur Bereinigung der raumplanungsrechtlichen Situation der Kleinsiedlungen im Kanton Thurgau. Ein besonders enger Zusammenhang besteht zwischen Richtplanänderung und PBV-Revision; sie können nicht losgelöst voneinander betrachtet werden. Das GVKS ist hingegen eine flankierende Massnahme.

Gestützt auf neues KRP-Unterkapitel müssen Gemeinden Zonen anpassen

Kern ist die Richtplanänderung «Kleinsiedlungen», die der Regierungsrat an seiner Sitzung vom 11. Januar 2022 erlassen und dem Grossen Rat mit einer Botschaft zur Genehmigung unterbreitet hat. Das Änderungspaket schafft die planungsrechtlichen Grundlagen für die nachfolgenden Zonenplananpassungen der Gemeinden. Es sieht Anpassungen in den Unterkapiteln «1.1 Siedlungsgebiet», «1.4 Ein- und Umzonungen», «1.9 Kleinsiedlungen» sowie im Anhang «A1 Anpassungsbedarf Siedlungsgebiet» vor. Zudem wird die Richtplankarte 1:50'000 angepasst. Neu erstellt wurden die beiden Richtplananhänge «A8 Kleinsiedlungen» und «A9 Kompensationsflächen Kleinsiedlungen». Ausschliesslich diese Unterkapitel, Anhänge und die Richtplankarte 1:50'000 sind folglich Gegenstand der Richtplanänderung «Kleinsiedlungen» und bedürfen der Genehmigung durch den Grossen Rat und in der Folge auch des Bundesrats.

Zentral ist das Unterkapitel 1.9 zu den Kleinsiedlungen. Darin ist als Planungsgrundsatz formuliert, dass zur Erhaltung bestehender Kleinsiedlungen ausserhalb der Bauzonen im Rahmen der Ortsplanung eng begrenzte Erhaltungszonen ausgeschieden werden können, wenn der KRP dies im Anhang A8 vorsieht. Für die Überführung einer Kleinsiedlung in eine Erhaltungszone müssen vier Voraussetzungen erfüllt sein: Es braucht mindestens fünf Wohnbauten, eine geschlossene Häusergruppe mit Siedlungsqualität, ein kulturgeschichtlich begründeter Siedlungsansatz und eine ausreichende Erschliessung. Die baulichen und nutzungsmässigen Möglichkeiten sind neu in der Verordnung des Regierungsrates zum Planungs- und Baugesetz formuliert. Da Richtplan- und Verordnungsänderung einen engen inneren Zusammenhang haben, legt der Regierungsrat seinen Entwurf für die Änderungen der PBV den Botschaften bei. Die neue Verordnung soll – nach erfolgter Genehmigung der Richtplananpassung durch den Grossen Rat – mit der Publikation in Kraft gesetzt werden. 

Mit der Richtplanänderung erhalten die Gemeinden den Auftrag, die für ihre im Anhang A8 aufgeführten Kleinsiedlungen geltenden Planungen zu überprüfen. Sie müssen die Kleinsiedlungen innert fünf Jahren in einen der zugewiesenen Zonentypen überführen. 

Neues Gesetz für Härtefälle

Mit der bundesrechtlich geforderten Überführung von Flächen in Kleinsiedlungen aus dem Baugebiet in das Nichtbaugebiet gehen Wertverluste einher. Da die bisherige Qualifizierung der entsprechenden Flächen als Bauzone bundesrechtswidrig war, muss davon ausgegangen werden, dass die Geltendmachung von Enteignungsansprüchen wenig erfolgsversprechend sein wird. Ein Vorschlag zur Milderung von finanziellen Härtefällen als Folge der Umzonungen liegt in Form des Gesetzesentwurfs über Vereinbarungen zur Milderung finanzieller Härtefälle von raumplanerischen Massnahmen in Kleinsiedlungen vor. Der Regierungsrat hat dem Grossen Rat dazu eine separate Botschaft überwiesen. Das Gesetz soll nur auf signifikante finanzielle Härtefälle Anwendung finden und ist keine Grundlage für flächendeckende Entschädigungszahlungen.
 

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