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Einheitliches Strafprozessrecht: Thurgau setzt Projektgruppe ein

Die vorgesehene Vereinheitlichung des Strafprozessrechts in der Schweiz und die Schaffung einer schweizerischen Jugendstrafprozessordnung haben weitreichende Folgen für den Kanton Thurgau. Um diese zeitgerecht bewältigen zu können, hat der Regierungsrat eine Projektgruppe unter der Leitung des leitenden Staatsanwalts Pius Schwager eingesetzt.

Im Dezember des vergangenen Jahres hat der Bundesrat dem Parlament eine Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts unterbreitet. Diese Botschaft beinhaltet einerseits den Entwurf für eine Schweizerische Strafprozessordnung und andererseits den Entwurf für eine Schweizerische Jugendstrafprozessordnung. Die beiden neuen Gesetze sollen die heutigen 26 Strafprozessordnungen und die Bestimmungen über das Jugendstrafverfahren ersetzen.

Die Verfahrensvereinheitlichungen werden auch Auswirkungen auf die Strafrechtspflege und das Jugendstrafverfahren im Kanton Thurgau haben. So muss voraussichtlich die geltende Strafprozessordnung weitgehend ersetzt werden, ebenso zeichnen sich gewichtige Änderungen in organisatorischer Hinsicht ab. In seiner Botschaft favorisiert der Bundesrat das sogenannte «Staatsanwaltmodell II». Charakteristisch für dieses Modell ist das Fehlen von Untersuchungsrichtern. Die Staatsanwaltschaft leitet das Vorverfahren, steht also dem polizeilichen Ermittlungsverfahren vor, führt die Untersuchung, erhebt Anklage und vertritt diese vor Gericht. Falls sich dieses Modell durchsetzt, wird im Kanton Thurgau inskünftig die Ebene der «Untersuchungsrichterämter» (Bezirksämter/Kantonales Untersuchungsrichteramt) entfallen.

Im Jugendstrafverfahren liegt keine eindeutige Modellwahl vor. Vorgesehen ist die Schaffung eines Jugendgerichts, und es wird den Kantonen überlassen, ob die Jugendanwältin oder der Jugendanwalt darin Einsitz nimmt oder nicht. Sollten die Vorschläge des Bundesrates unverändert übernommen werden, wären davon im Thurgau die Bezirksämter, das Kantonale Untersuchungsrichteramt, die Jugendanwaltschaft, die Staatsanwaltschaft, die Bezirksgerichte, die Anklagekammer und das Obergericht tangiert. Was die Gesetzgebung anbelangt, sind neben der Strafprozessordnung auch die Kantonsverfassung sowie weitere 32 Gesetze und Verordnungen betroffen.

Zur Überprüfung des organisatorischen und gesetzgeberischen Anpassungsbedarfs hat der Regierungsrat eine 14-köpfige Projektgruppe unter der Leitung des leitenden Staatsanwalts Pius Schwager eingesetzt. Sie hat die entsprechenden Erlassentwürfe und Erläuterungen so vorzubereiten, dass nach der Zustimmung des Regierungsrates gegen Ende des Jahres 2007 ein externes Vernehmlassungsverfahren durchgeführt werden kann.

Falls die Untersuchungsrichterämter aufgrund der neuen Lösung wegfallen, wird dies möglicherweise zu Kosteneinsparungen führen. Allerdings bringen die neuen Lösungen unter anderem einen Ausbau der Verteidigerrechte, die Abschaffung des Privatstrafklageverfahrens, die Einsetzung von Mediatoren und die Schaffung eines Jugendgerichts, was kostensteigernd wirken wird. Welche finanziellen Folgen das neue Bundesrecht für den Kanton Thurgau mit sich bringen wird, ist im Moment daher nur schwierig abzuschätzen. Allerdings erwartet der Regierungsrat, dass die künftige Organisation der Strafbehörden insgesamt zu Einsparungen gegenüber der heutigen Situation führen wird.