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Guter Befund für viele Gewässer

<img src="http://ww4.tg.ch/pictures/Thur_Bussnang.jpg" align="left"> In mehreren Ostschweizer Flüssen und Bächen enthält das Wasser Spuren von Arzneimitteln, die von Abwasserreinigungsanlagen nicht zurückgehalten werden. Bei den meisten Messstellen wurden aber nur wenige Substanzen und dies in Konzentrationen weit unter kritischen Werten gemessen. "Spitzenreiter" sind Rückstände von Schmerzmitteln.

Über 3000 chemische Substanzen finden heute Anwendung als Wirkstoffe in Arzneimitteln für die Humanmedizin. Nach der Einnahme werden sie zu einem grossen Teil mit dem Urin ausgeschieden. Das gilt ebenso für natürliche und synthetische Hormone. Auch verschiedene Industriechemikalien können hormonelle Wirkungen aufweisen. Die genannten Stoffe gelangen in aller Regel in die Kanalisation. In der Abwasserreinigungsanlage (ARA) werden viele von ihnen nicht oder nur teilweise biologisch abgebaut oder an den Klärschlamm gebunden und gelangen so in die Gewässer. Antibiotika, die in der Tierhaltung eingesetzt werden, können über die Gülle ins Grundwasser gelangen.

Vier Kantone gemeinsam
Die Umweltschutzämter der Kantone St.Gallen, Thurgau, Appenzell Ausserrhoden und Glarus haben gemeinsam das Fluss- und Bachwasser an total 20 Messstellen auf mögliche Belastungen mit hormonwirksamen Stoffen und Arzneimitteln untersucht. Die Liste umfasste 84 Substanzen; 32 davon liessen sich mindestens einmal nachweisen. In der Mehrzahl der untersuchten Flüsse und Bäche kamen nur wenige Substanzen vor, und dies in Konzentrationen weit unter einem kritischen Wert. Dank verbesserter chemischer Analysemethoden ist es heute möglich, diese Inhaltsstoffe bereits in sehr tiefen Konzentrationen zu erkennen, das heisst im Bereich von Nanogramm pro Liter (ein Nanogramm ist ein Milliardstel Gramm). In solchen Mengen haben die Substanzen keine akute Wirkung auf die Wasserlebewesen. Einzelne Stoffe hingegen, zum Beispiel Hormone, können bei chronischer Einwirkung schädliche Folgen auf das Leben im Wasser haben.

Flüsse mit hohem Abwasseranteil sind belastet
Am besten schneidet der Necker ab. Dann folgen die Goldach, die Aach, der Hegibach, der Werdenberger Binnenkanal und der Linthkanal. Nur einzelne Wirkstoffe waren auch in der Sitter oberhalb der Stadt St.Gallen und bei Wittenbach festzustellen. Das Gleiche gilt für die verschiedenen Stellen der Thur, die das gereinigte Abwasser von immerhin 41 ARA aufnimmt. Dies ist von besonderer Bedeutung, weil die Thur über weite Strecken ins Grundwasser infiltriert, das vielerorts für die Trinkwassergewinnung genutzt wird. Die meisten Nachweise und die höchsten Konzentrationen wurden in der Steinach unterhalb St.Gallen und in der Glatt bei Herisau und bei Oberbüren gemacht. Die Gründe liegen auf der Hand: Die Steinach nimmt das gereinigte Abwasser der östlichen Hälfte der Stadt St.Gallen auf sowie jenes aus Wittenbach und Teilen der Gemeinde Speicher, die Glatt jenes der Region Herisau-Flawil-Degersheim-Gossau. Da beide "Flüsschen" bei Trockenwetter nur wenig Wasser führen, wird das Abwasser aus den ARA nur schlecht mit Bachwasser verdünnt.

Diclofenac am häufigsten
In den Proben aus Fliessgewässern trat Diclofenac, ein Antirheumatikum, am häufigsten auf. Ebenfalls relativ oft gefunden wurden ein Antiepileptikum (Carbamazepin), zwei Beta-Blocker (Sotalol, Atenolol) und zwei Antibiotika (Clindamycin, Sulfamethoxazol). In der Glatt und in der Steinach wurden für die Hormone Estron und Ethinylestradiol Konzentrationen gemessen, bei denen Effekte auf Wasserlebewesen nach heutigem Wissensstand nicht völlig ausgeschlossen werden können. Estron ist ein natürliches weibliches Hormon, Ethinylestradiol ein synthetisches, das zum Beispiel in Anti-Baby-Pillen enthalten ist. In der Steinach fallen zudem die relativ hohen Konzentrationen von Röntgenkontrastmitteln auf. Diese Stoffe sind sehr stabil und verbleiben in der Umwelt. Nachteilige Wirkungen für Tiere oder Pflanzen sind bisher nicht bekannt.

Einzelne Nachweise auch im Grundwasser
In einem vom Bund koordinierten schweizweiten Messprogramm wurden im letzten Jahr auch zahlreiche Grundwasserproben untersucht. Bei Grundwasserfassungen im Einflussbereich von Flüssen waren einzelne Wirkstoffe in Spuren nachweisbar. Antibiotika aus der Tierhaltung wurden bei 12 von 82 Proben festgestellt. Alle betroffenen Stellen liegen im nordwestlichen Teil des Kantons St.Gallen und im Thurtal des Kantons Thurgau.

Fachleute verfolgen das Thema
Es werden derzeit noch keine technischen oder betrieblichen Massnahmen angewendet, um den Eintrag von Hormonen, Arzneimitteln und anderen Mikroverunreinigungen in die Gewässer zu vermindern. In der Gesetzgebung ist zwar das Vorsorgeprinzip verankert, konkrete Grenzwerte aber gibt es nicht. Die Problematik wird jedoch seit einiger Zeit in Fachkreisen diskutiert und ist Gegenstand verschiedener Forschungsarbeiten.

Eine wichtige Massnahme, um den Eintrag der Substanzen in die Gewässer zu verringern, besteht darin, deren Gebrauch auf das Notwendige zu beschränken. Altmedikamente sind bei den Verkaufsstellen zurückzugeben und dürfen nicht über die Toilette entsorgt werden. Zudem wäre es aus Umweltsicht wünschenswert, dass Wirkstoffe entwickelt und eingesetzt werden, die sich in den ARA abbauen lassen. Dies gilt generell für alle synthetischen Chemikalien, die ins Abwasser gelangen.