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Flussnahes Grundwasser strömt in Etagen

Eawag-Forschende und Fachleute des Kantons Thurgau haben nachgewiesen: Entlang von Flüssen, welche Wasser in den Kies von Talböden verlieren, hat Grundwasser keine einheitliche biologische und chemische Zusammensetzung, sondern strömt gewissermassen in “Stockwerken“. Für die Trinkwasserförderung ist es von grosser Bedeutung, wie hoch derjenige Anteil des Wassers ist, der erst vor kurzer Zeit vom Fluss ins Grundwasser gelangt ist, und wie lange dieses Was-ser bis zur Fassung unterwegs war. Die modellhaften Untersuchungen an der Thur bei Frauenfeld erlauben nun eine differenzierte Beurteilung der Sicherheit von Trinkwasserfassungen – zum Beispiel im Rahmen von Flussrevitalisierungsprojek-ten. Heute (4.10.) wurde an der Eawag über die Studie informiert.

Flussnahes Grundwasser strömt in Etagen

 

Eawag-Forschende und Fachleute des Kantons Thurgau haben nachgewiesen: Entlang von Flüssen, welche Wasser in den Kies von Talböden verlieren, hat Grundwasser keine einheitliche biologische und chemische Zusammensetzung, sondern strömt gewissermassen in “Stockwerken“. Für die Trinkwasserförderung ist es von grosser Bedeutung, wie hoch derjenige Anteil des Wassers ist, der erst vor kurzer Zeit vom Fluss ins Grundwasser gelangt ist, und wie lange dieses Was-ser bis zur Fassung unterwegs war. Die modellhaften Untersuchungen an der Thur bei Frauenfeld erlauben nun eine differenzierte Beurteilung der Sicherheit von Trinkwasserfassungen – zum Beispiel im Rahmen von Flussrevitalisierungsprojek-ten. Heute (4.10.) wurde an der Eawag über die Studie informiert.

Allein in der Schweiz werden wohl gegen eine Million Menschen mit Trinkwasser versorgt, das aus den kiesigen Talböden in der Nähe von Flüssen gepumpt wird. Die neue Wegleitung Grundwasserschutz des Bundes besagt, dass dieses Grundwasser, bevor es gefasst wird, mindestens zehn Tage im Untergrund unterwegs gewesen sein muss. Die Vorschrift soll verhindern, dass krankheitserregende Keime in eine Trinkwasserfassung gelangen. Bereits heute bestehen aber Fassungen, wo dieser Wert von 10 Tagen unterschritten wird oder nur knapp eingehalten werden kann. Führt ein Fluss nahe der Fassung zudem Hochwasser, ist ein Teil des geförderten Wassers zwischen Fluss und Fassung nur wenige Tage unterwegs.

Rasches Durchströmen bei Hochwasser

Die Eawag hat in enger Zusammenarbeit mit dem Amt für Umwelt des Kantons Thurgau eine Trinkwasserfassung in unmittelbarer Nähe der Thur bei Frauenfeld untersucht. Mit Umwelttracern (in kleinsten Mengen vorkommende Stoffe, welche eine Identifikation des Wassers zulassen, wie z.B. Radon oder Tritium) konnte nachgewiesen werden, aus welchen Anteilen das in der Fassung gepumpte Wasser besteht. Nur 15 bis 30 % sind “echtes“ Grundwasser aus versickertem Regen, 70 bis 85 % stammen ursprünglich aus dem Fluss Thur (= Infiltrat). Davon wiederum fliesst etwa die Hälfte (ein Drittel der gefassten Wassermenge) bei mittlerem Hochwasser weniger als 16 Tage durch den Kies. Erste Anteile von Thurwasser in der Trinkwasserfassung wurden noch früher nachgewiesen. Bei Niederwasser steigt diese Zeit wieder auf rund 35 Tage. Wichtig sind aber nicht nur die Resultate zu Fliesszeiten und Mischungsverhältnissen, sondern auch die Erkenntnis, dass die Zusammensetzung des Wassers je nach Tiefe stark variieren kann – das Grundwasser strömt sozusagen in Stockwerken zur Fassung (siehe Grafik).

Eduard Hoehn, Hydrogeologe an der Eawag, hält fest, dass das von der Stadt Frauenfeld geförderte Trinkwasser bisher hydrochemisch in Ordnung war. Käme es allerdings während eines Hochwassers zu einer Verschmutzung der Thur – etwa durch einen Chemieunfall – könnten die nun bekannten, kurzen Aufenthaltszeiten des Grundwassers problematisch werden. Besonders dann, wenn die Vorländer längere Zeit überflutet sind.

Differenzierte Lösungen möglich

Kritisch wird die Situation auch dann, wenn im Zuge von Flussrevitalisierungen – wie im Rahmen der 2. Thurkorrektion geplant – oder nach Hochwasserschäden an Uferverbauungen der Fluss näher an die Fassung rückt. Die Ergebnisse der Studie der Eawag im Thurtal erlauben es nun, Konflikte zwischen Flussrevitalisierungen (ebenfalls eine gesetzlich verankerte Vorgabe) und dem Grundwasserschutz gesamtschweizerisch besser zu erkennen und differenzierter anzugehen als bisher. Im Fall der Thur empfehlen die Eawag-Forscher in Übereinstimmung mit der Gewässerschutzverordnung, die geplante Flussraumaufweitung auf ein Gebiet ausserhalb von Grundwasserschutzzonen zu beschränken. Generell dürften sich zwischen den “Extremvarianten“ – dem Abschalten einer Trinkwasserfassung oder dem Verzicht auf ein Revitalisierungsprojekt – weitere Massnahmen anbieten. Diese können in organisatorischen oder technischen Vorkehrungen an der Grundwasserfassung bestehen oder in Anpassungen des Wasserbauprojekts. In jedem Fall aber gilt, dass erst mit detaillierten Kenntnissen der lokalen Situation eine angepasste Lösung möglich wird.

Grundwasserprobenahmen bei Frauenfeld