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Kinder und Jugendliche brauchen geeignete Lebensräume

Am fünften Netzwerktreffen trafen sich über 120 Verantwortliche in der Kinder- und Jugendförderung des Kantons Thurgau. Insgesamt sieben Referenten und Referentinnen regten die Teilnehmenden zum aktiven Mitdenken an, wie die Innenräume, die Aussenräume oder die virtuellen Lebensräume für und mit Kindern und Jugendlichen gestaltet werden können.

Pascal Mächler, Leiter der Fachstelle für Kinder-, Jugend- und Familienfragen eröffnete den Abend mit Bildern aus einem Kinderbuch aus dem Jahr 1973. Bereits vor 45 Jahren war die Veränderung der natürlichen Lebensräume ein Thema. Als vor 20 Jahren die Umsetzung der Kinderrechtskonvention in der Schweiz begann, entwickelte sich eine neue Sicht auf die Kinder.

Mitwirkung gehört zur Dorfkultur

Der Lebensraum entwickelt sich dabei im Zusammenspiel von verschiedenen Faktoren, wie Stefan Tittmann vom Ostschweizer Zentrum für Gemeinden der Fachhochschule St. Gallen erklärt. Einerseits beeinflussen die Menschen den Raum, andererseits bestimmt der Ort durch seine Lage und Begebenheit über Nutzungsmöglichkeiten und schliesslich können durch eine bewusste Raumgestaltung verschiedene Prozesse gesteuert werden. Wie ein Prozess gestaltet werden kann, zeigte Kurt Enderli, Gemeindepräsident von Wilen, auf. Durch langjährige Prozesse gelang es seiner Gemeinde, die Eigeninitiative und somit die Mitwirkung und Beteiligung in der Dorfkultur zu verankern. «Wenn man die Kinder mobilisieren kann, hat man die Eltern und die Grosseltern – alle sind dabei.» Durch dieses Zugehörigkeitsgefühl schaffe man auch eine gewisse Verbindlichkeit und steigere die Bereitschaft, für Zustimmung wie auch den Arbeitswillen. Aus diesem langjährigen Prozess unter der Mitwirkung der ganzen Gemeinde ist im November diesen Jahres der Jugendtreff eröffnet worden.

Auch in der Stadt Frauenfeld gelang mit dem 20gi Platz unter der Leitung von Eveline Götsch (Leiterin Fachstelle Jugend in Frauenfeld) eine Neugestaltung des öffentlichen Raumes. Der öffentliche Raum ist besonders beliebt, da er den Jungen ein unverbindliches und niederschwelliges Treffen ermöglicht. Zu Beginn des mehrjährigen Prozesses wurden die Interessen der Nutzenden abgeholt, sie wünschten sich insbesondere Licht, Strom, Wasser und WLAN auf dem Platz. Bei der Gestaltung zeigte sich herausfordernd, dass die Gruppen aufgrund des langen Prozesses wechselten und somit die Verbindlichkeit zur Mitgestaltung abnahm. Dank zielgruppengerechter Kommunikation via whatsapp oder snapchat und unter Einbezug von Aktionen wie dem Ferienplausch gelang es den Verantwortlichen schliesslich, die Neugestaltung zu realisieren.

Pilotprojekt in Basel

Wie ein intergeneratives Begegnen und Bewegen gelingt, zeigte Debora Wick, Geschäftsführerin Stiftung Hopp-la anhand des Pilotprojekts im Schützenmattpark in Basel auf. Die Stiftung entwickelt massgeschneiderte Konzepte für ein «Miteinander statt Nebeneinander». Wick betonte die Wichtigkeit, Spielplätze veränderbar zu gestalten statt vorgefertigte Produkte aus dem Katalog hinzustellen. Dies ermöglicht ein Begegnen der Generationen auf dem Spielplatz. Auch für die Winterzeit ist der Spielplatz gerüstet: Mit einem Adventskalender mit Türchen für gemeinsame Aktivitäten für Jung und Alt wird der Spielplatz Raum für Interaktion schaffen.

Auch die virtuellen Lebensräume nehmen einen grossen Platz in unserem heutigen Leben ein. Daniele Lenzo, Leiter der Fachstelle für Gewaltprävention der Stadt Zürich, zeigte auf, dass das Smartphone im virtuellen Kinderzimmer einen fünfmal höheren Stellenwert hat als der Fernseher. Dabei stellt sich die Frage, wie man als Eltern Grenzen setzt, gleichzeitig für Probleme in der virtuellen Welt offene Ohren hat und in Beziehung zum Kind bleibt. Er appellierte an die Haltung und die Vorbildrolle der Eltern.

Die Stadt Arbon setzt sich mit dem UNICEF-Label «Kinderfreundliche Gemeinde» bewusst für eine Stadt der Begegnung ein. Gabriele Eichenberger, Leiterin Kinder- und Jugendarbeit Arbon, zeigte auf, wie durch Befragungen die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen erhoben wurden, welche schliesslich zu einem vierjährigen Aktionsplan führten. Verschiedene Akteure der Gemeinde beteiligen sich dabei mit unterschiedlichen Zielen. So konnte im Sommer 2017 der Streetworkout eröffnet werden. Auch in diesem Projekt zeigte sich die Dauer des strategischen Prozesses als Herausforderung, während die Jungen teilweise wechselnde Bedürfnisse haben. Nichtsdestotrotz schätzt Eichenberger die intensive Vernetzung die dadurch entstand und die hohe Bereitschaft zur Mitwirkung.

UNICEF und Spielplätze

Wie kinderfreundliche Lebensräume unter Einbezug der seit 1997 in der Schweiz ratifizierten UN-Kinderrechtskonvention gestaltet werden können, zeigte das Fachreferat von Silvie Theus des Schweizerischen Komitees für UNICEF. Auch Theus betonte die Wichtigkeit, dass der Lebensraum gestaltbar sei. Anhand einer Studie zeigte sie auf, dass Kinder auf einem «guten Spielplatz» im Durchschnitt 107 Minuten verbrachten, während Kinder gerade mal 17 Minuten auf einem anregungsarmen Spielplatz verbrachten. Das Handbuch, das im nächsten Jahr erscheinen wird, soll den verschiedenen Beteiligten in Politik, Bau und Planung aufzeigen, welche Massnahmen sich positiv auf das kindliche Spiel und somit auf deren Entwicklung auswirken.

In der anschliessenden Diskussion wurde die hohe Flughöhe der Empfehlungen in Frage gestellt. Laut Theus sei dies jedoch nötig, um auf strategischer Ebene zu planen. Sobald man ein Ergebnis sehe, werde die Umsetzung greifbar, deshalb werden im Handbuch auch zahlreiche umgesetzte Projekte wie zum Beispiel die Nutzung von Brachen oder Generationenparks beschrieben. Dabei betonten die Referenten, dass ein kinderfreundlicher Lebensraum auch ein menschenfreundlicher Lebensraum ist. Im Kreislauf der Planung und Umsetzung können sowohl die Wirtschaft wie auch die Menschen profitieren und sich Begegnen.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierten nach den Referaten über die Empfehlungen.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierten nach den Referaten über die Empfehlungen.

Kurt Enderli beschrieb, wie in Wilen unter Mitwirkung der ganzen Gemeinde ein Jugendtreff entstanden ist.
Kurt Enderli beschrieb, wie in Wilen unter Mitwirkung der ganzen Gemeinde ein Jugendtreff entstanden ist.

Kurt Enderli beschrieb, wie in Wilen unter Mitwirkung der ganzen Gemeinde ein Jugendtreff entstanden ist.
Silvie Theus präsentierte Ideen und Massnahmen für die Gestaltung von Räumen für Kinder und Jugendliche.