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Neuer Schutz für alte Waldbäume

Seit Anfang 2018 zahlt der Kanton Thurgau Entschädigungen für alte, ökologisch wertvolle Einzelbäume, wenn der Waldeigentümer dafür auf deren Nutzung verzichtet. Bisher konnten nur ganze Waldbestände unter Schutz gestellt werden. Mit dieser neuen Massnahme wird beabsichtigt, auch in bewirtschafteten Wäldern besondere Lebensraumstrukturen für Insekten, Vögel, Pilze, Fledermäuse etc. zu erhalten und den Totholzanteil zu erhöhen. Diese sogenannten Habitatbäume erfüllen also den Zweck, ausserhalb von Waldreservaten ökologische Trittsteine zu bilden. Das Forstamt zeigte an einer Medienkonferenz im Forstrevier Seerücken am Beispiel einer Buche einen eindrücklichen Habitatbaum, erläuterte dessen Stellenwert für das Waldökosystem und erklärte das neue Schutzinstrument für diese wertvollen Einzelbäume.

Habitatbäume zeichnen sich durch Höhlen, Faulstellen und Totholz am Stamm oder in der Krone, Risse, Ast- und Kronenbrüche, extreme Wuchsformen oder starken Moos-, Efeu- oder Flechtenbewuchs aus. Diese Strukturen sind wertvolle Lebensraumelemente oder sogenannte Habitate für zahlreiche Arten wie Vögel, Insekten, Pilze oder Fledermäuse. Naturgemäss treffen solche Merkmale eher auf dicke und alte Bäume zu. In den intensiv bewirtschafteten Wäldern im Mittelland gibt es aber nur wenige richtig alte Bäume, weil die meisten Bäume früher geerntet werden, solange sie noch gesund und schadlos sind. Alte, dicke Bäume sind daher im gut erschlossenen und intensiv bewirtschafteten Thurgauer Wald eher selten. Der Schutz dieser grossen Bäume ist folglich wichtig, denn fehlen diese im Wald, fehlen auch lebenswichtige Nischen für seltene oder gefährdete Arten, die auf die Alters- und Zerfallsphasen der Bäume angewiesen sind. Weil viele dieser Arten zudem sehr klein und wenig mobil sind, braucht es alte Bäume gut verteilt über den ganzen Wald und nicht nur in isolierten Schutzflächen wie Waldreservate.

Habitatbäume werden vom Bund gefordert

Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) fordert von den Kantonen im Rahmen der Vereinbarungen über den neuen Finanzausgleich neu diesen Schutz von Habitatbäumen. Im Gegenzug werden finanzielle Mittel für diese erbrachten ökologischen Leistungen ausbezahlt, die letztlich an den Waldeigentümer fliessen. Im Thurgau wird das neue Schutzinstrument seit 2018 angewendet. Habitatbäume werden dabei mittels Vertag für 50 Jahre unter Schutz gestellt. In dieser Zeit darf ein solcher Baum nicht genutzt werden. Auch wenn er abstirbt und umfällt, muss er im Wald belassen werden. Lebt der Baum auch nach 50 Jahren noch, sollte dann die Möglichkeit bestehen, den Vertrag erneut abzuschliessen. Einige Bäume konnten bereits unter Schutz gestellt werden und bei etlichen weiteren laufen Verhandlungen mit den Waldeigentümern. Weitere geeignete Bäume werden laufend evaluiert. Das Ziel ist, dass im Thurgau bis Ende 2019 400 Objekte unter Schutz gestellt werden können. Voraussetzung für einen Schutzstatus ist, dass die Bäume den definierten Kriterien entsprechen. Dies sind insbesondere ein ausreichender Stammdurchmesser sowie vorhandene Habitatsstrukturen wie Risse in der Borke, Totholz in der Krone, Höhlen etc. Nicht geeignet sind Bäume entlang von Strassen aufgrund der möglichen Gefährdung, wenn sie altershalber umfallen, sowie Fichten aufgrund des Borkenkäferrisikos.

Auch eine ganze Habitatbaumgruppe kann geschützt werden

In Ergänzung zu den Vorgaben des Bundes besteht im Thurgau auch die Möglichkeit, statt Einzelbäumen ganze Gruppen von alten, grossen Bäumen unter Schutz zu stellen. Im Gegenzug erhält der Eigentümer eine grössere Entschädigung. Die Entschädigung berechnet sich aufgrund der Anzahl Bäume, der Baumarten, der Stammdurchmesser sowie der Waldfläche, welche der Baum oder die Bäume beanspruchen. Für eine einzelne Buche mit einem Durchmesser von über einem Meter beispielsweise werden einmalig rund 500 Franken ausbezahlt. Dies ist deutlich mehr, als mit dem Holzverkauf zu verdienen wäre. Eigentlich ist die Nutzung solcher überalterten Bäume wirtschaftlich ohnehin nicht interessant, da die Kosten für die Ernte in der Regel fast höher sind als der Holzertrag. Im Rahmen von grösseren Holzschlägen werden sie aber oft dennoch mitgeerntet. Mit der finanziellen Abgeltung besteht nun neu die Möglichkeit, für die Waldeigentümer einen zusätzlichen Anreiz zu schaffen, ökologisch wertvolle, alte Bäume stehen zu lassen. Dies ist auch ein Beispiel für die sogenannte «Inwertsetzung von Waldleistungen», also Entschädigungen an den Waldeigentümer für die Leistungen des Waldes zugunsten der Öffentlichkeit.

Gerold Schwager vom Forstamt erläuterte die wichtige ökologische Trittsteinwirkung von gut verteilten, geschützten Habitatbäumen.
Gerold Schwager vom Forstamt erläuterte die wichtige ökologische Trittsteinwirkung von gut verteilten, geschützten Habitatbäumen.

Ruedi Lengweiler vom Forstamt demonstrierte die vielen verschiedenen Kleinlebensräume, die ein grosser, alter Baum zahlreichen Tier- und Pflanzenarten bietet.
Ruedi Lengweiler vom Forstamt demonstrierte die vielen verschiedenen Kleinlebensräume, die ein grosser, alter Baum zahlreichen Tier- und Pflanzenarten bietet.

Revierförster Stefan Bottlang erklärte, warum der Erhalt von mächtigen, alten Bäumen für die Natur so wichtig ist.
Revierförster Stefan Bottlang erklärte, warum der Erhalt von mächtigen, alten Bäumen für die Natur so wichtig ist.

Ruedi Lengweiler und Gerold Schwager vom Forstamt und Revierförster Stefan Bottlang (v.l.n.r.) informierten über die neue Schutzmöglichkeit für grosse, alte Waldbäume.
Ruedi Lengweiler und Gerold Schwager vom Forstamt und Revierförster Stefan Bottlang (v.l.n.r.) informierten über die neue Schutzmöglichkeit für grosse, alte Waldbäume.