Kanton Thurgau nicht von Kartell betroffen
Das kantonale Tiefbauamt hat mit einer statistischen Methode prüfen lassen, ob es in den vergangenen Jahren bei der Vergabe von Aufträgen im kantonalen Tief- und Strassenbau Indizien gab, die auf Preisabsprachen zwischen Unternehmen hinweisen könnten. Das externe Gutachten kommt zum Schluss, dass der Kanton Thurgau nicht von einem Rotationskartell betroffen war oder ist.
In jüngster Vergangenheit hat die Wettbewerbskommission (WEKO) mehrere Baukartelle aufgedeckt. Tiefbaufirmen hatten untereinander abgesprochen, wer mit welchem Preis den Zuschlag für einen öffentlichen Auftrag bekommen soll (sogenannte Submissionsabreden). Der Wettbewerb spielte in solchen Fällen nicht mehr, was zu höheren Kosten für die öffentliche Hand führte. «Das kantonale Tiefbauamt wollte sichergehen, dass im Kanton Thurgau keine solchen Kartelle existieren», sagt Kantonsingenieur Andy Heller. Er hat deshalb die Hochschule Luzern mit einer statistischen Analyse der Offertöffnungsprotokolle beauftragt (sogenanntes «Screening»). Untersucht wurde, ob die eingereichten Angebote Auffälligkeiten aufweisen, die auf mögliche Kartelle hindeuten könnten. Ausgewertet wurden 382 Vergaben mit 2'125 Angeboten und einer durchschnittlichen Auftragssumme von 600'000 Franken in den Jahren 2007 bis 2018. Involviert waren 139 Firmen. Sie wurden für die Analyse anonymisiert und mit einer Nummer versehen.
In einem ersten Schritt (im Gutachten Ampelanalyse genannt) wurden basierend auf statistischen Markern auffällige Vergaben ausgemacht. Angewandt wurden Marker, die auch schon die WEKO bei ihren statistischen Analysen verwendet hat (Variationskoeffizient und Relatives Distanzmass). Auffällig ist eine Vergabe beispielsweise dann, wenn das tiefste Angebot deutlich tiefer ist als das zweittiefste, während die übrigen Angebote nahe beieinanderliegen. Mit diesem «Sicherheitsabstand» soll bei Absprachen sichergestellt werden, dass das «gewünschte» Unternehmen den Zuschlag auch tatsächlich erhält. Weil Vergaben mit weniger als drei Geboten für solche Analysen nicht verwendet werden können, blieben noch 348 Fälle für eine vertiefte Betrachtung.
Die grosse Mehrheit aller Vergaben im Tief- und Strassenbau war gemäss dieser Ampelanalyse nicht abgesprochen. 85 Prozent aller Vergaben über den gesamten Zeitraum waren unauffällig. 15 Prozent der Vergaben (53 von 2007 bis 2018) wurden allerdings als auffällig bezeichnet, weshalb eine vertiefte Analyse in einem mehrstufigen Verfahren durchgeführt wurde. Vertieft untersucht wurde das Bieterverhalten im Jahresvergleich, nach Vergabeverfahren und entlang von Regionen. Analysiert wurden auch die Interaktionen von auffälligen Unternehmen.
Beinahe keine statistischen Auffälligkeiten gab es bei den offenen Verfahren, wo es um die höchsten Vergabesummen geht. Das zeigt, dass die grösseren Projekte im Kanton Thurgau unter kompetitiven Bedingungen vergeben wurden. Statistische Auffälligkeiten zeigten sich jedoch beim Einladungs- und freihändigen Verfahren. Am höchsten war die Anzahl auffälliger Vergaben in den Jahren 2008 bis 2012. Ab 2013 kam es zu einem deutlichen Rückgang. Dies dürfte laut Bericht auf verstärkte Aktivitäten der WEKO im Jahr 2013 zurück zu führen sein.
Ein spezielles Augenmerk wurde auf elf der 139 anonymisierten Unternehmen gerichtet, die gemäss Statistikauswertung mehrmals bei auffälligen Angeboten ausgewiesen wurden. Dies wiederum vor allem in den ersten Jahren der Untersuchungsreihe. Gemäss der Analyse macht es den Anschein, dass allfällige Absprachen in abwechselnder Konstellation stattgefunden haben. «Die Indizien weisen darauf hin, dass im Kanton Thurgau ein gewisser ‘Grundkonsens’ vorgeherrscht haben könnte, sich bei Einladungsverfahren bzw. freihändigen Verfahren mit mehreren Offerten den Markt bzw. die Zuschläge für ein Projekt nach Möglichkeit bilateral aufzuteilen», so die Autoren. Organisierte Rotationskartelle hat die Analyse aber nicht ausgewiesen. «Wir gehen davon aus, dass die Diskussionen um die Kartelle in anderen Kantonen und die Aktivitäten der WEKO zu einer Sensibilisierung in der Branche geführt haben», sagt Kantonsingenieur Andy Heller dazu. Im Jahr 2017 gab es gar keine auffälligen Vergaben, im Jahr 2018 waren es 2 (6 Prozent).
Weil die statistischen Auffälligkeiten in den letzten Jahren stark zurückgegangen sind, besteht aktuell aus Sicht des Kantons kein Anlass, die WEKO einzuschalten oder noch mehr Abklärungen vorzunehmen. Die Autoren des Berichts haben aber verschiedene Handlungsempfehlungen aufgeführt, die das kantonale Tiefbauamt auch umsetzen wird. So wird das Screening nun regelmässig durchgeführt und bei der Vergabe von Aufträgen gedenkt der Kanton vermehrt das offene Verfahren zu wählen, auch wenn der Schwellenwert das Einladungs- oder freihändige Verfahren zulassen würde.