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6. Bodensee-Sicherheitsgespräch in Arbon TG

Am 6. Bodensee-Sicherheitsgespräch in Arbon haben sich die für die öffentliche Sicherheit zuständigen Staatssekretäre und Regierungsmitglieder der Bodensee-Anrainerländer und -kantone erfreut über das Schweizer Ja zu den Abkommen von Schengen und Dublin gezeigt. Die Anschläge in London lösten Betroffenheit aus.

6. Bodensee-Sicherheitsgespräch in Arbon TG

 

Am 6. Bodensee-Sicherheitsgespräch in Arbon haben sich die für die öffentliche Sicherheit zuständigen Staatssekretäre und Regierungsmitglieder der Bodensee-Anrainerländer und -kantone erfreut über das Schweizer Ja zu den Abkommen von Schengen und Dublin gezeigt. Die Anschläge in London lösten Betroffenheit aus.

Gastgeber Dr. Claudius Graf-Schelling, Justizdirektor des Kantons Thurgau, begrüsste die Delegationen aus den Schweizer Kantonen St.Gallen und Schaffhausen sowie dem österreichischen Bundesland Vorarlberg, den deutschen Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern und dem Fürstentum Liechtenstein am Montag herzlich zum 6. Bodensee-Sicherheitsgespräch in Arbon.

Mit Blick auf die Bombenattentate in London sprach Graf-Schelling den Angehörigen der Opfer die Anteilnahme der Konferenz aus. Er gab sich überzeugt, "dass sich die Werte demokratischer Gesellschaften als stärker erweisen werden als der internationale Terrorismus". Die jüngsten Anschläge zeigten aber eindringlich den hohen Stellenwert und die Notwendigkeit einer international vernetzten Sicherheitszusammenarbeit auf. Graf-Schelling: "'Quaida' heisst bekanntlich 'Netzwerk'. Folglich muss auch die Sicherheitsstrategie der Staaten vernetzt sein."

Ein weiterer Schritt dazu sei die im Juni 2005 vom Schweizer Stimmvolk an der Urne bekräftigte Assoziierung an Schengen und Dublin. "Die bilateralen Polizeiabkommen mit Deutschland, Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein sowie mit Italien und Frankreich bleiben weiterhin in Kraft", sagte Graf-Schelling. Mit diesen Abkommen habe man im Bodenseegebiet gute Erfahrungen gemacht. Es gelte nun, das gemeinsam Erreichte mit Schengen möglichst pragmatisch, effizient und kostengünstig weiter zu entwickeln.

Graf-Schelling erinnerte daran, dass im föderalistischen Schweizer Staatsaufbau die Polizeihoheit bei den Kantonen angesiedelt ist und auch mit der Assoziierung an Schengen weiter bleibt. Das eidgenössische Grenzwachtkorps, welches Sicherheitsaufgaben im Landesinneren übernehmen wird, versieht diese unter Führung der Kantonspolizeien.

Obwohl Aussenpolitik in der Schweiz grundsätzlich Bundessache ist, sind die Kantone auf Grund der Polizeihoheit stark betroffen. Dem trage der Bund Rechnung, indem die Konferenz der Kantonsregierungen einen Beobachter ins Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement entsendet, der innerhalb der Bundesverwaltung an den Sitzungen über die Umsetzung und Weiterentwicklung von Schengen/Dublin teilnimmt. Er nimmt in Brüssel als Mitglied der schweizerischen Delegation weiter auch an Sitzungen der Arbeitsgruppen der EU teil, soweit Themen behandelt werden, die Zuständigkeiten oder Interessen der Kantone berühren.

Vor der Inkraftsetzung müssten alle formellen Voraussetzungen erfüllt sein und EU-seitig ratifiziert werden, führte Graf-Schelling aus. Inwieweit die einzelnen EU-Staaten ihre Genehmigung vom Entscheid der im September 2005 stattfindenden Schweizer Volksabstimmung betreffend Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf die neuen EU-Staaten abhängig machen werden, bleibe abzuwarten.

Stellvertretend für das Plenum fasste Dr. Elmar Marent, Sicherheitsdirektor von Vorarlberg, die Ziele für die Umsetzung von Schengen gemeinsam mit der Schweiz zusammen: "Die Sicherheitsverhältnisse in den Grenzregionen sollen stabil bleiben, die Bürger in ihrer Beweglichkeit nicht beeinträchtigt, Straftäter jedoch treffsicher herausgefiltert werden."

Neben dem Beitritt der Schweiz zu Schengen, der von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Sicherheitsgespräch gewürdigt wurde, bot die Veranstaltung erneut eine Plattform für einen umfassenden Austausch zur Entwicklung der Kriminalität und der Sicherheitslage in den Anrainerstaaten des Bodensees. Dabei zeigte sich, dass 2004 die Gesamtzahlen der Delikte in den Kantonen Schaffhausen und Thurgau auf relativ hohem Niveau konstant geblieben sind oder leicht rückläufig waren, während St.Gallen unter dem Strich einen leichten Anstieg zu verzeichnen hatte. Konstante Zahlen wiesen auch das Fürstentum Liechtenstein und Baden-Württemberg aus. Der Freistaat Bayern sprach ebenfalls von einer Stagnation auf hohem Niveau trotz Rückgängen in einigen Kriminalitätsbereichen und einer hervorragenden Aufklärungsquote. Insgesamt wurden die Entwicklungen positiv beurteilt.

Ein Thema in allen Ländern und Kantonen ausser Liechtenstein und Vorarlberg sind die steigenden Zahlen im Bereich der Cannabis-Delinquenz, während der Konsum von Heroin eher rückläufig ist. Der bayrische Ministerialrat Peter Dathe warnte davor, Cannabis als weiche Droge zu verharmlosen und verwies auf die gestiegenen Werte des Rauschmittels THC. Der Kanton St.Gallen setzte 2004 den kriminalpolizeilichen Schwerpunkt denn auch bei der Bekämpfung des Drogenhandels. Schaffhausens Regierungspräsident Heinz Albicker zeigte auf, dass der Zustrom von Drogenkonsumenten aus Deutschland im vergangenen Jahr zwar abgeflacht, aber immer noch aktuell sei.

Angesprochen wurde weiter der Themenkomplex Links- und Rechtsextremismus sowie Hooliganismus. Die St.Galler Justizdirektorin Karin Keller-Sutter hielt fest, dass Extremismus an keinen Landes- oder Kantonsgrenzen halt macht, in der Erscheinungsweise ähnlich und darum ein koordiniertes Vorgehen in der Euregio Bodensee hilfreich und zweckmässig sei. Sie erinnerte an die "Ravensburger Absprache" 2001 und das "St.Galler Manifest" von 2003, in denen eine gemeinsame Rahmeneinsatzkonzeption zur Bekämpfung von Extremismus jeglicher Art vereinbart wurde. "Nach unserer Überzeugung haben die international abgestimmten Massnahmen mit dazu beigetragen, dass sich die Lage vor allem im Bereich des Rechtsextremismus stabilisiert hat", betonte Keller-Sutter. Als grosse Herausforderung für die innere Sicherheit wertet sie die Fussball-EM in der Schweiz und in Österreich im Jahr 2008.

Die St.Galler Justizdirektorin begrüsste in diesem Zusammenhang den Entwurf eines Schweizer "Bundesgesetzes über Massnahmen gegen Rassismus, Hooliganismus und Gewaltpropaganda". Im Zentrum steht die Möglichkeit, rassendiskriminierendes oder zu Gewalt aufrufendes Propagandamaterial sicherzustellen und einzuziehen, daneben ist eine Hooliganismus-Datenbank im Gespräch. Lücken im Strafrecht sollen gefüllt und beispielsweise die öffentliche Verwendung rechtsextremistischer bzw. rassendiskriminierender Kennzeichnungen in der Schweiz strafbar werden. Mit einem weiteren Gesetzesentwurf, der im Frühjahr 2005 einem Vernehmlassungsverfahren unterzogen wurde, werden weitere präventive Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen vorgeschlagen

Ein weiterer Schwerpunkt der Tagung widmete sich dem Stand der strukturellen polizeilichen Reorganisationsprojekte, die in den meisten Ländern und Kantonen rund um den Bodensee Thema sind. Übergeordnete Ziele sind schlankere Strukturen, Optimierung der Ressourcen, eine beschleunigte Einsatzbereitschaft und damit eine erhöhte Bürgernähe.

So wurde die umfangreiche Verwaltungsreform im Bereich der Polizei von Baden-Württemberg auf den 1. Januar 2005 umgesetzt. Sie gliedert unter anderem die bisher selbstständigen Landespolizeidirektionen Stuttgart I, Karlsruhe, Freiburg und Tübingen als neue Abteilungen in die Regierungspräsidien ein. Auch die Unterstellung der Wasserschutzpolizeien wurde neu geregelt.

In Bayern ist bis 2008 die Umsetzung eines neuen dreistufigen Organisationsmodells geplant und damit die Streichung einer Ebene durch Zusammenlegung von bislang insgesamt 56 Führungsdienststellen zu 10 Polizeipräsidien (neu). Kern des Modells ist eine Einsatzzentrale zur Einsatzsteuerung in jedem der 10 Präsidien und auch weiterhin die dezentrale Einsatzbewältigung vor Ort.

Österreich führte auf den 1. Juli 2005 die Bundessicherheitswache, die Bundesgendarmerie, das Bundeskriminalbeamtenkorps und Teile der Zollwache zu einem österreichweit einheitlichen Wachkörper - der Bundespolizei - zusammen. Durch die Verschlankung und Straffung der Führungsstrukturen (von über 40 auf 9 Führungsstellen) sollte die Effizienz gesteigert und die Verfügbarkeit von operativ tätigen Sicherheitsbeamten erhöht werden.

Der Kanton Schaffhausen, der im Jahr 2001 eine moderne Einheitspolizei geschaffen hat, wird wesentliche Teile der Polizeireform im Oktober 2005 umgesetzt haben. Im Zug der Strukturoptimierungen wurden ab 2001 schrittweise die Abteilungen der Kriminal-, der Sicherheits-, der Verkehrspolizei, die Abteilung Support sowie eine sehr kleine Stabsorganisation geschaffen. Einzelne Polizeiposten wurden aufgehoben und zentrale Dienststellen in den Regionen geschaffen. Damit soll die polizeiliche Grundversorgung der Bevölkerung verbessert werden. Zurzeit sind Anpassungen bei der Sicherheitspolizei im Gang.

Auf den 1. Januar 2005 haben die Kantone St.Gallen und Thurgau ihre Reformprojekte abgeschlossen. Die Zielsetzung lautete in beiden Kantonen: "Eine Aufgabe, ein Raum, eine Führung". In St.Gallen wurde der Kanton in vier Regionen eingeteilt und die bisherige Einsatz- und Verkehrspolizei sowie ihre Stützpunkte in die Regionalpolizei integriert. Diese stellt die gesamte polizeiliche Grundversorgung im verkehrs-, sicherheits- und kriminalpolizeilichen Bereich sicher (ohne Stadt St.Gallen). Die bisherige Einsatz- und Verkehrspolizei wurde auf einen zentralen Fachdienstzweig Verkehrspolizei reduziert.

Im Thurgau arbeitet man mit neu drei Polizeiregionen statt acht Bezirken, in deren Betreuung auch Teile der Verkehrspolizei mit einbezogen wurden. Mit dem Wechsel vom Zwei- zum Dreischichtbetrieb wurde dem Wunsch der Thurgauer Bevölkerung entsprochen, die sich eine erhöhte Polizeipräsenz auch in Randzeiten und in der Nacht wünschte. Erste Rückmeldungen aus der Bevölkerung zum verbesserten Service rund um die Uhr sind sehr positiv.

Informiert wurde am Sicherheitsgespräch auch über die Ostschweizer Polizeischule des Ostschweizer Polizeikonkordats. Die Schule startet im Herbst 2006 in Amriswil im Kanton Thurgau mit 70 Ausbildungsplätzen, die Ausbildung dauert ein Jahr. Mit der gemeinsamen Polizeischule ist längerfristig sichergestellt, dass die Polizeiausbildung in den Ostschweizer Kantonen nicht nur vereinheitlicht, sondern auf professionellem Niveau gehalten und optimiert werden kann, so dass die kürzlich erfolgte Anerkennung des Polizeiberufes in der Schweiz durch das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie sichergestellt bleibt.


Am Bodensee-Sicherheitsgespräch in Arbon nahmen teil:

Dr. Elmar Marent, Sicherheitsdirektor Vorarlberg; Staatssekretär Rudolf Köberle, Innenministerium Baden-Württemberg; Peter Dathe, Leitender Ministerialrat im bayerischen Staatsministerium des Innern; lic. oec. HSG Adrian Hasler, Polizeichef Fürstentum Liechtenstein; Karin Keller-Sutter, Vorsteherin des Justiz und Polizeidepartementes, Kanton St.Gallen; Heinz Albicker, Regierungspräsident und Vorsteher des Finanzdepartementes, Kanton Schaffhausen; Dr. Claudius Graf-Schelling, Vorsteher des Departements für Justiz und Sicherheit, Kanton Thurgau.

 

Nahmen am 6. Bodensee-Sicherheitsgespräch in Arbon teil: Die Delegationen aus Vorarlberg, dem Fürstentum Liechtenstein, Baden-Württemberg, Bayern, Schaffhausen, St. Gallen und Thurgau.

Bild: Kantonspolizei Thurgau