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Beurkundungen durch Anwältinnen und Anwälte zulassen

Der Regierungsrat des Kantons Thurgau schlägt vor, den Anwältinnen und Anwälten im Kanton Thurgau entsprechend den Nachbarkantonen eine Kompetenz zur Beurkundung einzuräumen. Diese ist bisher den Grundbuchämtern und Notariaten vorbehalten. Nach einem Vernehmlassungsverfahren unterbreitet der Regierungsrat dem Grossen Rat eine entsprechende Botschaft.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Kantonen ist eine Beurkundungs- und Beglaubigungskompetenz von Anwältinnen und Anwälten im Kanton Thurgau nicht vorgesehen. Der thurgauische Anwaltsverband hat darauf hingewiesen, dass die Klientschaft es nicht verstehe, dass sie für die Beurkundung eines Vertrages, der von einer Anwältin oder einem Anwalt ausgearbeitet worden sei, an eine Drittstelle gelangen müsse. Der Regierungsrat teilt diese Ansicht und hat deshalb Änderungen des Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch (EG ZGB) sowie des Anwaltsgesetzes vorgeschlagen und in die Vernehmlassung geschickt. Mit dieser Anpassung – so der Regierungsrat – können ein bislang bestehender Standortnachteil des Kantons Thurgau ausgeglichen, Doppelspurigkeiten beseitigt und die Kundenfreundlichkeit erhöht werden. Grössere negative Auswirkungen auf die Notariate sieht er weder bezüglich der Auslastung noch der ausbleibenden Gebühreneinnahmen.
 
Im Vernehmlassungsverfahren wurde hauptsächlich die Verknüpfung dieses Änderungsvorschlags mit der Revision des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts beanstandet. Es wurde geltend gemacht, dass die beiden Vorlagen nichts miteinander zu tun hätten und deshalb die Einheit der Materie nicht gewährleistet sei. Mit der vorliegenden Botschaft wird diesem Einwand Rechnung getragen.
 
Andere Vernehmlassungsteilnehmer wollten an der bisherigen Regelung nichts ändern, weil sie eine Schwächung der Notariate sowie einen Gebührenverlust befürchten. Der Regierungsrat hält dazu fest, dass die Gebühren für die Beurkundung und Beglaubigung von Verträgen den Aufwand der Notariate in der Regel nur zu ca. 60 bis 70 Prozent decken. Insofern bestehe kein übergeordnetes finanzielles Interesse des Kantons, diese Geschäfte weiterhin ausschliesslich von den Notariaten ausführen zu lassen. Bei komplexen Angelegenheiten oder solchen, bei denen es um hohe Privatvermögen gehe, die für die Notariate finanziell interessant wären, würden meist spezialisierte Anwaltskanzleien beigezogen werden. In solchen Fällen bestehe für die Klientinnen und Klienten ein nachvollziehbares Interesse, das Geschäft auch von der beigezogenen Anwältin oder dem beigezogenen Anwalt beurkunden zu lassen. Auch das Interesse der Notariate an solchen komplexen Geschäften ist nach Ansicht des Regierungsrates nicht sehr hoch, da trotz der höheren Gebührensätze ein sehr hoher Aufwand für die materielle Überprüfung des Geschäfts erforderlich ist.
 
In der Vernehmlassung wurde im Weiteren darauf hingewiesen, dass Anwältinnen und Anwälte hinsichtlich der neuen Beurkundungskompetenz eine Zusatzausbildung zu absolvieren hätten. Zudem solle eine intensive Aufsicht gewährleistet werden. Dazu schreibt der Regierungsrat, dass die Anforderungen an die Ausbildung in der Verordnung des Obergerichts zum Anwaltsgesetz geregelt werden und dass diese Verordnung entsprechend angepasst werde. 
 
Die neue Beurkundungskompetenz ist für den Kanton mit keinen zusätzlichen Kosten, wegen der Staatshaftung der Notariate aber mit weniger Risiken verbunden. Die Mandantinnen und Mandanten der Thurgauer Anwaltschaft dürften die vorgesehene Lösung, die für sie in der Regel insgesamt kostengünstiger und zweckmässiger ist, begrüssen.

Botschaf Beurkundungskompetenz  [PDF, 173 KB]

Teil I Änderung Anwaltsgesetz  [PDF, 76.0 KB]

Teil II Äenderung EG ZGB  [PDF, 50.0 KB]