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Administrativ versorgte Menschen rehabilitieren

Der Regierungsrat des Kantons Thurgau lehnt die Schaffung eines eigenen Bundesgesetzes für die Rehabilitierung administrativ versorgter Menschen ab. Er unterstützt das Grundanliegen der Parlamentarischen Initiative, regt aber an, dem Anliegen auf andere Art Rechnung zu tragen. Dies teilt er in seiner Vernehmlassungsantwort mit.

Von Vormundschaftsbehörden verfügte Einweisungen in Anstalten vor allem Jugendlicher aufgrund von Tatbeständen wie «arbeitsscheu», «lasterhafter Lebenswandel» oder «Liederlichkeit» waren in der Schweiz lange Zeit gängig. Da in der Regel Verwaltungsbehörden für die Einweisungen zuständig waren, wird von «administrativen Versorgungen» gesprochen. Die damalige Rechtslage und Praxis führte aus heutiger Sicht dazu, dass den betroffenen Personen teils massives Unrecht widerfuhr. Die Rechtskommission des Nationalrates möchte ihrem Rat beantragen, dieses Unrecht als solches zu anerkennen und mit dem Erlass eines Bundesgesetzes einen Beitrag zur moralischen Wiedergutmachung zu leisten.

Der Regierungsrat unterstützt das Grundanliegen der Kommission für Rechtsfragen. Er lehnt aber die angestrebte Rehabilitierung in Form eines Bundesgesetzes ab. Dabei wird insbesondere bezweifelt, ob sich aus einer hohen Erlassstufe automatisch eine besondere Genugtuungsfunktion ergebe. Bereits im Bericht werde darauf verwiesen, dass eine Rehabilitierung aufgrund zweier bestehender Bundesgesetze möglich sei. Dabei handelt es sich um die Aufhebung von Strafurteilen gegen Flüchtlingshelfer zur Zeit des Nationalsozialismus sowie um die Rehabilitierung der Freiwilligen im Spanischen Bürgerkrieg.

Allerdings habe das Schicksal von Flüchtlingshelfern oder Kriegsfreiwilligen keine Berührungspunkte mit demjenigen von administrativ versorgten Menschen. Ihr Schicksal lasse sich eher mit demjenigen der Gruppe der ehemaligen Verdingkinder, der Kinder der Landstrasse, der in Heimen oder Pflegefamilien Ausgenutzten, Misshandelten oder Missbrauchten, der Zwangssterilisierten oder der in psychiatrischen Kliniken Zwangsbehandelten vergleichen. Alle diese von besonderen Lebenssituationen betroffenen Menschen seien seit einiger Zeit in den Fokus des öffentlichen Bewusstseins gerückt. Zu einer «gesetzlichen» Rehabilitierung sei es bei all den erwähnten Gruppen jedoch nicht gekommen. Insofern handle es sich beim vorgeschlagenen Bundesgesetz um ein Unikum, das einen gewissen «Affront» gegenüber anderweitig schicksalhaft betroffener Menschen darstelle. Die Zuständigkeit für vor 1981 eingeleitete administrative Versorgungen hätten zudem klar bei den Kantonen beziehungsweise Gemeinden und nicht beim Bund gelegen, schreibt der Regierungsrat weiter. 

Schliesslich unterstützt der Regierungsrat die wissenschaftliche Erforschung der administrativen Versorgung, insbesondere durch den Nationalfonds. Besondere Regeln auf Bundesstufe und Privilegien für einzelne Forschende sowie ein Gesetz mit einer Wiederholung von wissenschaftlichen Grundsätzen werden aber abgelehnt. Der Regierungsrat sieht auch keine Notwendigkeit für übergeordnete Regeln, die in die kantonalen Informations-, Datenschutz- und Archivgesetze eingreifen.

Vernehmlassungsantwort Rehabilitierung administrativ versorgter Menschen  [PDF, 100 KB]