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«Wir haben das Bedürfnis nach Zugehörigkeit»

Am Mittwoch wurde der Bildenden Künstlerin und Kunstvermittlerin Judit Villiger der mit 20'000 Franken dotierte Thurgauer Kulturpreis 2018 verliehen. An der Feier im Eisenwerk Frauenfeld würdigte Laudator Peter Stohler die vielseitig engagierte Preisträgerin für ihre kritische Haltung, ihren schelmischen Witz und ihre eigenständige Vorgehensweise.

Judit Villiger macht kleine, ja kleinste, filigrane, eher bescheiden wirkende Skulpturen aus ungewöhnlichen Materialien wie Epoxydharz. Dazu hat sie Fragmente von Landschaften und Gegenständen aus Werken teils epochaler Künstler genommen oder «entliehen» wie sie es selber nennt, brachte Laudator Peter Stohler, Direktor des Kunst(Zeug)Haus Rapperswil-Jona, das vielgestaltige künstlerische Werk und Wirken von Judit Villiger auf einen gemeinsamen Nenner. Allerdings, so Stohler: «So einfach ist es dann halt doch nicht.» Denn in jeder der Skulpturen und Zeichnungen, der Malerei und Performances der «Bilderjägerin», wie sich Villger selber sieht, steckt ein Puzzleteil einer durchdachten Methode, die zum einzigartigen Gesamtkunstwerk gewachsen ist – und weiterwachsen soll.

Die Geschichte der mit dem Thurgauer Kulturpreis 2018 Ausgezeichneten ist auch die Geschichte der Prophetin im eigenen Land. «Ihre Lehrer an der Kunstgewerbeschule in Luzern während ihrer Ausbildung zur Zeichen- und Werklehrerin mögen ihr Talent vielleicht nicht erkannt haben, als sie ihre Handhabe des Mediums Skulptur kritisierten», blendete der Laudator in die Vergangenheit der in Luzern geborenen und in Stettfurt aufgewachsenen Preisträgerin zurück. Also musste sie zuerst der Schweiz den Rücken kehren und nach New York gehen, um zu erkennen, dass sie auf dem richtigen Weg ist. «In den USA», so Stohler, «hat man ihr Vorgehen sofort erkannt und gewürdigt.» Und jetzt also mit dem Kulturpreis des Kantons Thurgau auch die Ehrung in ihrer Heimat. «Der Preis, der ihr heute verliehen wird, würdigt all dies: ihre kritische Haltung, ihren schelmischen Witz, ihre ganz eigene Vorgehensweise, mit der sie spielerisch, experimentell und forschend Welten aus Welten kreiert und die Wirklichkeit befragt», so der Laudator. Und: «Der Preis ist eine Auszeichnung dafür, dass sie sowohl als Künstlerin als auch als Kuratorin und Kunstvermittlerin Orte der Recherche und des Experiments, ja Denkräume schafft, wo auch Unangepasstes, Unkonventionelles, Unfertiges entstehen kann, wo kreative und intellektuelle Möglichkeiten ausgelotet werden.»

Vorgängig hatte Monika Knill, Chefin des Departementes für Erziehung und Kultur, in ihrer Rede den Fokus auf Villigers Engagement für das «Haus zur Glocke» in Steckborn gerichtet. Der Kunst- und Begegnungsort sei, so die Regierungsrätin, «ein Musterstück». Die Preisträgerin betreibt das gastliche Haus zusammen mit einem Freiwilligenteam aus Steckbornerinnen und Steckbornern, sie sucht die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen in Steckborn, aber auch darüber hinaus. «Sie nutzt Synergien und überschreitet Grenzen, diejenigen der Kunst, aber auch die Landesgrenzen, und so schafft sie einen wichtigen Begegnungsort, der Engagement und Partizipation von Vielen möglich macht und wichtig ist für Steckborn», so Knill. Das «Haus zur Glocke» zeige exemplarisch, wie wertvoll es sei, sich in der Freizeit – oft zum Nulltarif – lokal zu engagieren und sich in einem Verein oder in einer Behörde für die Gemeinschaft einzusetzen. «Das lokale Engagement erhöht das gegenseitige Vertrauen und stärkt das lokale Netzwerk», so die Regierungsrätin. Denn es bedeute soziale Eingebundenheit: «Trotz der Individualisierung haben wir das Bedürfnis nach Zugehörigkeit, die wir vor allem im Lokalen erleben können.»

Entsprechend sieht Judit Villiger den Kulturpreis nicht nur als Anerkennung ihres künstlerischen Schaffens, sondern auch als Anerkennung für ihr lokales Engagement in Steckborn. Dies umso mehr, als der Preis im Thurgau einen hohen Stellenwert geniesst. Entsprechend entscheidet der Gesamtregierungsrat, wem er jeweils zugesprochen wird, wie Hans Jörg Höhener, der Präsident der Kulturkommission, ausführte.

Martha Monstein, Leiterin des Kulturamts, moderierte die ebenso würdevolle und entspannte Feier. Umrahmt wurde sie vom Sextett Katze Steffan & das Lügenorkestar. Sie boten eine beschwingte kleine Roadsow, die von Balkensongs bis zum Folk führte.

vlnr.: Regierungsrätin Monika Knill, Chefin des Departements für Erziehung und Kultur, übergibt Judit Villiger den Kulturpreis. Rechts, die Laudatio hielt Peter Stohler, Direktor des Kunst(Zeug)Hauses Rapperswil-Jona. Foto: Mario Gaccioli.